Dichtungen

Land in Sicht

"Sei mal still, ich höre die Heulboje"
    huhuu - huhuu - huhuu ...

    "Das ist die Kuh von Roscoff, warnt den Steuermann bei schlechter Sicht",
    huhuu - huhuu - huhuu ...

    Leuchttürme blitzen im Morgengrau. Ein ferner Schatten der Kirchturm von Roscoff.

    Wir stehen am Deck der "Quiberon", kehren zurück aus Cornwall, mit halber Kraft voraus in den bretonischen "Heimathafen".

    "Weißt du noch, wo wir überall waren?"

    "Ein Hotel weiß ich noch. Es lag in einer Bucht. Von der Hotelbar schauten wir aufs Meer. Es überschäumte die vorgelagerten Inseln, schäumte gegen Klippen.

    Wir saßen allein in der Bar an einem Tischchen.

    An den Wänden nur Bilder mit Hunden. Unterm Tischchen stapelweise Hundezeitschriften. Ein Wochenblatt mit steckbrieflich gesuchten Hunden, nebst Paßbild, Lebenslauf und Finderlohn. Auf dem Tresen Hundefutter in Büchsen, Schachteln mit Hundekuchen, Hundeplätzchen. Eine rote Spendenbüchse mit Hundekopf: Bitte um eine Gabe für alte und kranke Freunde!

    Wir tranken Guinness, lasen Steckbriefe, berechneten den Finderlohn in deutscher Währung.

    Da ging die Bartür auf. Ein Bobtail kam herein mit Herrchen und Frauchen. Setzten sich auf die geblümte Bank an der Wand. Lasen stumm in einer Hundezeitung.

    Zwei Golden Retriever kamen herein mit Herrchen und Frauchen. Setzten sich auf die gegenüberliegende geblümte Wandbank.

    Der Bobtail hatte keine Lust mehr weiterzulesen. Sprang von der geblümten Bank. Rannte an unserem Tischchen vorbei.
    Das Guinness zitterte.
    Beschnupperte die beiden Retriever. Die kamen überhaupt nicht mehr zum Zeitunglesen, weil schon wieder die Tür aufging. Ein Irish Setter erschien mit seinem Herrchen.

    Wir tranken schnell das Guinness, blätterten im Wochenblatt, berechneten Finderlöhne in DM.

    Da kam ein Frauchen herein mit einem Pekinesen unterm Arm. Fand ein freies Plätzchen auf einem geblümten Stühlchen.

    Ein pfeiferauchendes Herrchen trat ein mit Windhund, Border Colli, Mischling. Es wurde eng auf der Blumenbank.

    Man trank Tee, plauderte, aß Kuchen und Hundekuchen. Der Barkeeper verteilte Hundeplätzchen. Der Bobtail machte Männchen, die Retriever gaben Pfötchen. Der Mischling warf ein Auge auf den kleineren Retriever. "Be a gentleman!" ermahnte ihn der Pfeifenraucher, ohne die Pfeife aus dem Mund zu nehmen."

    Wir stehen am Deck der "Quiberon", kehren zurück aus Cornwall.

    Die Leuchttürme blitzen nicht mehr.

    Wir schauen durch die Glockenstuben des Kirchturms von Roscoff.

    Im Morgensonnenlicht glänzen die Glocken, läuten lauter als die Boje heult.

von Fritz Föttinger

Hollerhof

Hollerhof - eine Geschichte aus der Wegwarte

Ein fränkisches Herbarium - aufgesammelt von Fritz Föttinger

 

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          • Schafgarbe
            Wegwarte
            Fünffingerkraut
            Taubenkropf
            Johanniskraut
            Baldrian
            Katzenpfötla
            Blutströpfla
            Maria-Bettenstroh
            Muttergotteskerzen ...

Gottverlassen liegt der Hollerhof im "Wässerer Grund", wie die Hollfelder sagen, umschlungen von Hollerbüschen bis ans Dach.

Einige Ziegel fehlen. Fensterscheiben zersprangen.
Bretter hängen lose am Scheunengiebel, grauverwittert.
Zaunhohe Weberdisteln recken sich neben der Haustüre:
Relikte längst vergangener Ackerbaukultur, wie Brigitte Stenglein, die einundneunzigjährige Bäuerin.

Sie erlebt seit vielen Jahren stille Tage, ohne Telefon, ohne Fernseher, auf dem Einödhof, der jedes Frühjahr in einem Meer gelbweißer Holunderblüten versinkt.

Brigitte Stenglein kocht keine Holundermarmelade mehr - backt keine Holunderküchlein. Die Caritas schaut täglich vorbei.
Auf ihrem Tisch in der Guten Stube steht ein kleines Kruzifix, daneben ein Porträt vom Pater Pio, dem Seligen. Er versteckt seine Wundmale auf den Handflächen unter den langen Ärmeln seiner Jacke.

Am Fensterbrett ein Vase mit unvergänglichen Plastikblumen. Auf der Eckbank liegt eine Schachtel, vollgepackt mit Erinnerungen. Postkarten, Briefe, Fotos.
Fotos von der Hollerhofbäuerin beim Kirchgang an Maria Himmelfahrt.

Sie kennt noch viele Pflanzen für den Kräuterbüschel zur Kräuterweihe.

"Wo ma glebt hot, soll ma bleim. Mir gfällts do. Ich hob alles, wossi brauch."

Brigitte Stengleins rechtes Auge ist erblindet.
Ob Sie den Öldruck an der Wand noch sieht?
Auf dem Bild wandelt Christus mit seinen Jüngern durch Kornfelder.
Er streift mit der Hand über Ähren wie die Bauersleute, wenn Sie prüfen, ob das Korn reift: unser täglich Brot.

Aus dem Buch "Wegwarte" - eine von 25 Geschichten.

von Fritz Föttinger

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